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Warum Du auch über psychische Erkrankungen bloggen solltest | Herr Bock

Gedanken und Beweggründe für das Bloggen über psychische Erkrankungen

Heute mal ein Thema, dass mir persönlich sehr am Herzen liegt. Es gibt immer noch zu viele Vorurteile und Stigmata wenn es um das Thema Depression oder andere psychische Erkrankungen geht. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene selbst dabei helfen darüber aufzuklären um mehr Verständnis in der Gesellschaft zu schaffen. Psychische Erkrankungen sollten kein Tabuthema sein, nur weil sie unbequem oder schwer nachvollziehbar sind. Menschen die unter einer Depression leiden, werden immer noch anders behandelt, als Menschen mit körperlichen Erkrankungen, werden weniger ernst genommen und verurteilt. Niemand sucht sich eine psychische Erkrankung aus und sie kann jeden treffen.

Den Anstoß zu diesen Interviews gab mir Lena, die auf Instagram unter freudmich postet und auch bereits ein Buch mit dem Titel „Psyche? Hat doch jeder!“ veröffentlicht hat um unter anderem mit Vorurteilen aufzuräumen.

Denn es glauben immer noch viele Menschen, dass man eine Depression mit z.B. Schokolade oder einem Urlaub heilen kann.

In diesem Interview hat mir Herr Bock, selbsternannter Depressionist, meine Fragen beantwortet. Auf seinem Blog verbockt.com schreibt er über sein Leben, seine Depressionen und seine Gedanken. Außerhalb des Internets ist er auch für Lesungen und Vorträge unterwegs.

Portrait Herr Bock

1. Warum hast Du Dich dazu entschlossen öffentlich über Deine Probleme/Gefühle/Gedanken zu schreiben? Was war der ausschlaggebende Grund dafür?
Als ich mit meinem Blog angefangen habe, war das noch mit einem Pseudonym. Ich hatte das Gefühl, meine Gedanken in die Welt schreien zu müssen und wollte dabei aber noch versteckt bleiben. Vor allem sollten aber Freunde und Bekannte wissen, was mit mir los ist. Ich hatte keine Lust mehr auf Ausreden bei Terminen oder irgendwelche fadenscheinigen Erfindungen, warum ich gerade nicht kann. Dadurch hatten sie die Chance, alles mitzubekommen.

Wenn ich nicht schreiben mag, mache ich das auch nicht.

2. War es schwer den ersten Beitrag zu veröffentlichen? Wie ist es mit jedem neuen Beitrag?
Nein. Schwer war es nicht. Ich war ja für mich noch „versteckt“. Die Überlegung, ob ich meinen richtigen Namen einsetze, war dann schon schwerer. Aber das Veröffentlichen generell ist keine Hürde für mich. Ich schreibe die Dinge für mich auf, nicht für andere, auch wenn das oft so aussehen mag. Ich weiß, dass eine Menge Menschen von meinen Inhalten profitieren und ich das ausspreche, was sie denken, aber ich liefere keine Inhalte. Wenn ich nicht schreiben mag, mache ich das auch nicht.

3. Fällt es Dir manchmal schwerer einen Beitrag zu veröffentlichen? Überarbeitest Du manche Beiträge öfter als andere?
Nein. Im Gegenteil. Der Großteil ist runtergeschrieben und direkt veröffentlicht. Ich schreibe weder vor, noch lasse ich Korrektur lesen. Ich plane auch keine Beiträge. Das, was ich veröffentliche, ist auch immer ein aktuelles Thema bei mir. Im Nachhinein korrigiere ich dann nochmal kleine Fehler, aber nicht die Inhalte.

4. Hast Du Dir Gedanken darüber gemacht, wer das Lesen könnte und was das für Dich bedeutet?
Ja, na klar. Wer macht sich diese Gedanken nicht? Gerade, wenn ich das mit meinem Klarnamen mache, kann ich mich jetzt nicht mehr verstecken. Dennoch war die Entscheidung für mich vollkommen richtig, weil ich so ehrlicher damit umgehen kann. Auch anderen gegenüber. Das Ganze ist ein Teil von mir, den ich nicht verheimlichen möchte. Zumal er mir auch beim Leben hilft.

Außerdem muss irgendwer ja über die Thematik reden, damit das Stigma kleiner wird – vor allem bei Männern.

5. Warum würdest Du diese Entscheidung öffentlich über psychische Erkrankungen zu schreiben immer wieder treffen?
Bei mir war es die Rettung. Keine Versteckspiele mehr, keine Lügen mehr und jede Menge Sachen, die ich lernen durfte. Die Nachrichten, Mails, Kommentare, Fragen und so weiter, haben auch für mich einen extremen Mehrwert, weil ich mich mit Menschen austauschen kann, denen es ähnlich oder genauso ergangen ist. Mittlerweile weiß ich auch, dass mein Schreiben anderen eine Stütze ist. Sei es, dass sie dem Partner zeigen können, wie sie selbst sind und der mehr erfährt, oder oder oder. Außerdem muss irgendwer ja über die Thematik reden, damit das Stigma kleiner wird – vor allem bei Männern. Ich sehe mich ungern in dieser Rolle, aber ich trage die Aufgabe mit.

6. Was ist passiert nachdem Du damit begonnen hast? Für Dich persönlich oder/und auch von außen? Wie waren die Reaktionen, das Feedback?
Mir ist ein unheimlicher Stein von den Schultern gefallen: „Endlich kein Verstecken mehr.“ Meine Freunde waren mehr dankbar, als das sie geschockt waren. Die waren zwar schon vorher informiert, aber das ist nochmal eine andere Situation gewesen. Generell ist das Feedback in den 5 Jahren nicht schlecht gewesen. Sicher gab es kritische Fragen, ob ich das wirklich alles so ins Netz schreiben muss, aber ja, muss ich. Für mich gibt es da keine Zweifel. Nur nochmal, ob ich das weitermachen kann, wenn mein Sohn da ist, oder ob wir ihn schützen. Er wird unweigerlich damit verbunden sein. Wir haben gemeinsam entschieden, dass es gut ist, so wie es ist.

7. Hilft es Dir darüber zu schreiben, die Dinge in Worte zu fassen?

Ja, auf jeden Fall. Nicht alles landet im Internet, aber vieles. Kurze Gedanken bei Twitter, längeres im Blog oder bei Instagram. Es ist ein Kanal für mich, die Last im Kopf zu verteilen. Manche Dinge bleiben aber auch zu Hause in einem Notizbuch. Schreiben ist die größte Waffe geworden, um den Dingen Herr zu werden.

Solange mir jemand sagt, ich solle mich nicht so anstellen, solange müssen wir da raus und darüber reden.

8. Warum glaubst Du, sollten noch mehr Menschen den Mut dazu aufbringen?
Es wird schon viel in der Öffentlichkeit gesprochen und die Medien zeigen es nicht mehr diffamierend, aber es braucht eben noch mehr Menschen, weil das Thema „normaler“ werden muss und nicht spießbürgerlich abgetan werden darf. Solange mir jemand sagt, ich solle mich nicht so anstellen, solange müssen wir da raus und darüber reden. Die Krankheit ist im Kern gleich, aber viele Menschen haben so unterschiedliche Geschichten, Erlebnisse, Empfindungen und Erfahrungen, dass wir das einfach zeigen müssen.

9. Was ist Dein Ziel, was willst Du damit bewirken? Für Dich oder auch andere?
Mittlerweile anderen eine Hand reichen. Ich weiß, dass bei Leseabenden nicht nur Betroffene da sind. Auch Angehörige, Partner, Fachleute. Ich möchte damit Mut machen, sensibilisieren, an die Hand nehmen, Wege zeigen und anderen die Chance geben, dass ich das ausspreche, was sie selbst nicht sagen können.

10. Was ist Dir wichtig in dem Zusammenhang, was willst Du noch dazu sagen?
Passt da draußen auf euch auf. Niemand muss offen reden, aber er darf es. Respektiert euch, nehmt euch die Zeit zum Zuhören und schickt nicht immer nur Nachrichten. Seid wieder etwas achtsamer mit euren Mitmenschen.

Hier findest Du weitere Interviews:
Annika zum öffentlichen Umgang mit psychischen Erkrankungen

Schau doch auch mal hier vorbei: Mutmachleute – Das Projekt zur Entstigmatisierung psychischer Krankheiten


Falls Du Hilfe brauchst findest Du hier Anlaufstellen

Anonym und kostenlos:

Telefonseelsorge
Tel.: 0800 1110111
Tel.: 0800 1110222
Rund um die Uhr erreichbar.
telefonseelsorge.de
Mail- oder Chatseelsorge:
online.telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon
Tel.: 0800 116111
Montags bis Samstags von 14 Uhr bis 20 Uhr.
nummergegenkummer.de

In akuten Krisen wende Dich bitte an Deinen Arzt, die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter: 112

8 Gedanken zu „Warum Du auch über psychische Erkrankungen bloggen solltest | Herr Bock

    1. Danke! Ein zweiter Teil dieser Serie kommt nächste Woche, ein dritter ist auch geplant. Gerne kannst Du auch daran teilnehmen, wenn Du magst! Ich kenne mich in der Bloggerszene in der Richtung noch nicht so aus, aber je mehr mitmachen, desto besser. 🙂

  1. Ich hab nun dank deiner Seite die Mutmachleute gefunden und mich da auch direkt beworben. Da wird demnächst wohl mein Beitrag online gehen 🙂
    Ich beschäftige mich auf meinem Blog eben selbst auch hauptsächlich mit psychischen Erkrankungen und deren (Ent-)Stigmatisierungen. 🙂

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